aus: SPIEGEL-Online vom 6.10.

G20-Randale Polizei hat keine Beweise für Hinterhalt im Schanzenviertel

Beim G20-Gipfel in Hamburg verwüsteten Randalierer ein ganzes Viertel – die Polizei sah stundenlang tatenlos zu. Neue Erkenntnisse schüren Zweifel an der bisherigen Rechtfertigung der Einsatzführer.

Die Hamburger Polizei hat eingeräumt, dass sich ihre Darstellung der G20-Krawalle in wesentlichen Punkten nicht beweisen lässt. Außerdem musste die Behörde frühere Angaben zu Vorfällen während des Gipfels Anfang Juli korrigieren. Das zeigen Antworten der Innenbehörde auf eine Kleine Anfrage der Hamburger Linken-Abgeordneten Christiane Schneider. Das Dokument liegt dem SPIEGEL vor.

Im Kern geht es um die Ereignisse in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli im Viertel Sternschanze. Damals griff die Polizei über Stunden nicht ein, als Randalierer Barrikaden anzündeten und Geschäfte plünderten. Erst Spezialeinsatzkommandos (SEK) bekamen die Lage in den Griff.

Lebensgefahr für die Beamten?

Es habe Lebensgefahr für die Beamten bestanden, so rechtfertigte die Polizeiführung das Zögern. Man habe Erkenntnisse gehabt, wonach sich Gewalttäter auf Dächern in der Straße Schulterblatt versammelt hätten, um die Polizei mit Steinen, Gehwegplatten, Eisenstangen und Molotowcocktails zu bewerfen.

Auf die Frage, wie viele dieser Gegenstände als Beweismittel gesichert wurden, teilte die Behörde nun mit: „nach derzeitigem Kenntnisstand keine“.
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aus: TELEPOLIS vom 6.10.

„Die Herrschaft über die Wirklichkeit hat die Polizei“

Bild: Elke Steven

Gespräch mit dem Kriminologen Prof. Dr. Fritz Sack anlässlich der Ereignisse während des G20-Gipfels über Gewalt und Polizei

Der Ablauf des einwöchigen Protestgeschehens während des G20-Gipfels in Hamburg hat die Frage der Gewalt auf die Tagesordnung gesetzt. Die Aufarbeitung der Ereignisse, wie sie im Nachgang vom Hamburger Innensenat beabsichtigt ist – nämlich eine Konzentration auf die Gewalt seitens der Demonstranten -, versucht vollständig auszublenden, dass die Polizei eine Strategie des „konsequenten Durchsetzens“ verfolgt hat. Diese Strategie wurde im Vorfeld durch den „Rahmenbefehl G20 – Gipfeltreffen“ schriftlich festgelegt und hat in nicht geringem Umfang zur Eskalation der Gewalt beigetragen.

Immer neue Gesetze und Regelungen zum Schutz von Polizeibeamten und eine zunehmend auf Härte setzende Einsatzstrategie, die selbst vor Rechtsbruch nicht zurückschreckt, stellen mitten in Deutschland grundlegende Menschenrechte infrage. Die polizeiliche Reaktion auf das Protestgeschehen rund um den G20-Gipfel hat dies überdeutlich gezeigt.

Der Streit um das Demonstrationsrecht und das Recht auf Versammlungsfreiheit beginnt notwendig auf der Straße. Zugleich müssen die Bürger trotz einer massiven Propaganda über Gewaltbereitschaft und Gefährdungen, die abschrecken soll, für demokratische Anliegen sensibilisiert werden. Auf dem Kongress „Demonstrationsrecht verteidigen“ in Düsseldorf am 7. Oktober 2017 wird deswegen beraten, was zu tun ist, um Demonstrationsrecht, Streikrecht und Pressefreiheit zu verteidigen.

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aus: taz vom 4.10.

Aufklärung zu G20-Akkreditierungen

Ups, Fehler, sorry, alles gelöscht!

Nachdem Journalisten beim G20 ausgeschlossen wurden, haben Behörden alle Daten gelöscht. Das ist rechtswidrig und verhindert eine Aufklärung.

Polizisten drücken einen Mann auf den Boden, ein Mann im Hintergrund hält einen Fotoapparat

Dokumentierten vielfach Polizeigewalt beim G20: Journalisten Foto: dpa

BERLIN taz | Journalist*innen werden bei der Arbeit behindert. Ihnen wird die Akkreditierung entzogen. Wegen Daten, die die Polizeibehörden über sie gespeichert hatten – und das in zumindest einigen Fällen fälschlicherweise. Jetzt schnell die eigene Haut zu retten scheint in manchem Kriminalamt mehr Priorität zu haben, als die Ursachen zu finden.

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aus: junge Welt vom 6.10.

Eingeengte Wahrnehmung

NRW-Innenminister veröffentlicht neuen Verfassungsschutzbericht

Von Markus Bernhardt
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Grundrechtekongress in der Volkshochschule Düsseldorf direkt am Hauptbahnhof am 7. Oktober ab 11 Uhr

Mehr Infos: demonstrationsrecht-verteidigen.de

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat am Donnerstag einen neuen Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) vorgestellt. Während die Zahl der Straftaten von Neonazis und Rassisten wuchs, sind Vorfälle, die vermeintlichen »Linksextremisten« zugeschrieben werden, rückläufig. Auch Gewaltdelikte aus dem Bereich des »auslandsbezogenen Extremismus« hätten »stark zugenommen«, führte Reul in Düsseldorf aus.Die Zahl der »rechtsmotivierten« Gewalttaten stieg laut Bericht 2016 gegenüber dem Vorjahr von 289 auf 381. Trotz der Fakten, die das Gegenteil belegen, behauptete Reul, die »Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt gegenüber Personen und Sachen« nehme in der linken Szene zu. In diesem Zusammenhang verwies er auf Proteste gegen den G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg, aber auch auf Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den Braunkohleabbau im Rheinland.

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aus: Hamburger Morgenpost 4.10.

Was hat der Senat zu verbergen? Schon wieder! Polizei schwärzt G20-Akten

Mike Schlink

Was die Aufarbeitung der Gipfel-Krawalle betrifft, sieht Hamburgs Linksfraktion schwarz. Wenige Wochen nach dem Eklat um geschwärzte G20-Polizei-Akten werden offenbar weiterhin zahlreiche Dokumente unkenntlich gemacht und entfernt. Sabotiert die Polizei etwa den G20-Ausschuss?

Davon geht zumindest Christiane Schneider (Linke) aus. Nach eigenen Angaben hat sie am Montag eine neue Fuhre mit G20-Ordnern studiert und dabei viele unleserliche Seiten entdeckt. „Im Ordner für den 2. Juli wurden 73 von 88 Seiten entfernt. Im Ordner für den 6. Juli waren es 60 von 87 Seiten“, so Schneider. Außerdem seien knapp 16 Seiten geschwärzt, darunter auch die Seiten zur Eskalations-Demonstration „Welcome to Hell“. Die Abgeordnete ist außer sich, spricht von „nackter Willkür“ seitens der Polizeiführung.

Keine Zeile ungeschwärzt: Der „Rahmenbefehl“ der Polizei

Keine Zeile ungeschwärzt: Der „Rahmenbefehl“ der Polizei – wie ihn Mitte September die Politiker bekamen.

Und was sagt die Polizei dazu? Gegenüber der MOPO äußerte sie sich noch nicht zu den  Vorwürfen.

Ärger um geschwärzte Akten gab es bereits vor drei Wochen. Rund 80 Mitarbeiter des LKA wurden kurzfristig abkommandiert, um die gesamte gigantische Dokumentensammlung für den Ausschuss aufzubereiten. Dabei wurden zahlreiche Seiten unkenntlich gemacht – darunter der sogenannte „Rahmenbefehl“.

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aus: Spiegel-ONLINE 27.9.

Rechtswidrige Aktion der Polizei

G20-Gegner verlangen Schadensersatz von Stadt Hamburg

Jugendliche misshandelt: GeSa „Guantanaburg“ (Gefangenensammelstelle Hamburg Harburg)

Von

Während des G20-Gipfels hielt die Polizei einen Bus mit jungen Protestlern stundenlang fest. Zu Unrecht, wie ein Gericht jüngst feststellte. Nun wollen die Opfer Geld – und kündigen weitere Klagen an.

Eine Gruppe von G20-Gegnern aus Nordrhein-Westfalen, die zur sozialistischen Jugendorganisation „Die Falken“ gehört, fordert von der Stadt Hamburg 15.000 Euro Schadenersatz. Die Summe nannte der regionale „Falken“-Verbandschef Paul Erzkamp dem SPIEGEL. Hintergrund sei „die unrechtmäßige Behandlung unserer Mitglieder“ durch die Polizei während des Gipfels Anfang Juli.

Beamte hatten einen Bus der „Falken“ stundenlang festgehalten und die 44 Mitglieder zur Gefangenensammelstelle in den Stadtteil Harburg gebracht. Vor wenigen Tagen stellte das Hamburger Verwaltungsgericht in zwei exemplarisch verhandelten Klagen fest, die sogenannte Ingewahrsamnahme sei rechtswidrig gewesen.

 

Erstes Urteil gegen Polizei

Es war das erste Urteil gegen die Polizei im Zusammenhang mit dem Gipfel. Die Polizei hatte die Rechtswidrigkeit zuvor eingeräumt. Man habe die Gruppe verwechselt. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer entschuldigte sich persönlich.

Falken-Chef Erzkamp sagte, die geforderte Summe bestehe aus einem Grundbetrag von 250 Euro pro Kopf und einem Extra-Betrag für besonders betroffene Opfer. Erhalte man das Geld, werde man einen Großteil an den Republikanischen Anwaltsverein spenden, der sich für G20-Gegner einsetzt.

Erzkamp kündigte zugleich zwei weitere Klagen vor dem Verwaltungsgericht an. Hintergrund sei, dass mehrere „Falken“-Mitglieder im Gewahrsam besonders entwürdigend behandelt worden seien. „In einigen Fällen gab es körperliche Gewalt, einige von uns mussten sich total entkleiden.“ Manche Mitglieder hätten beim Toilettengang die Tür nicht schließen dürfen. „Die Polizei hat rechtsstaatliche Standards bewusst unterlaufen.“

4-5 Personen pro ausgeleuchteter Zelle in der Gefangenensammelstelle Hamburg Harburg

Falken-Anwalt Jasper Prigge sagte, es gehe „um schwerwiegende Grundrechtseingriffe, die nicht gerechtfertigt waren“. Das betreffe nicht allein die Ingewahrsamnahme, „sondern auch die Behandlung im Gewahrsam“. Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt im Zusammenhang mit den „Falken“ gegen mehrere Polizisten. „Wir prüfen die Vorwürfe Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung im Amt“, sagte eine Sprecherin.

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aus: junge Welt vom 26.9.

»Widerstand nicht auf morgen verschieben«

Bundesweiter Grundrechtekongress will unter anderem Behördenwillkür bei Protesten gegen G-20-Gipfel beleuchten.

Ein Gespräch mit Nils Jansen
Interview: Markus Bernhardt
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Foto: Boris Roessler/dpa

Nils Jansen ist ­Sprecher der Initiative »­Demonstrationsrecht verteidigen!« und Mitglied im Verdi-Bezirksjugendvorstand NRW-Süd

Am 7. Oktober veranstalten Sie in Düsseldorf einen bundesweiten Kongress unter dem Motto »Demonstrationsrecht verteidigen! Aufruf zum Widerstand gegen den Abbau unserer demokratischen Grundrechte«. Was ist der Anlass für diese Tagung?

Konkreter Anlass sind die starken Grundrechtsverletzungen durch Polizei und Justiz beim G-20-Gipfel. Doch der Kongress beschränkt sich nicht auf die Ereignisse von Hamburg.

Sondern geht in welchen Stellen darüber hinaus?

Wir wollen mit der Erklärung auf den umfassenden Rechtsruck der Regierung aufmerksam machen, der sich aktuell vor allem im radikalen Abbau der Grundrechte äußert. Diese Einschränkungen betreffen die gesamte soziale und gewerkschaftliche Bewegung, und überhaupt jeden Menschen in Deutschland. Sie gehören zu den tiefsten Eingriffen in die Versammlungsfreiheit seit Bestehen der Bundesrepublik. Wer heute nicht handelt, wird vielleicht morgen aufwachen, und sich fragen, wo sein Demonstrationsrecht geblieben ist.

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aus: WELT vom 23.9.

G-20-POLIZEI-EINSATZ: „Das verstößt gegen die Verfassung“

Von Per Hinrichs |  

Der Schutz der Staatsgäste hatte bei dem G-20-Gipfel im Hamburg höchste Priorität, der Schutz der Bürger war nachrangig. Anwalt Gerhard Strate hat dazu eine klare Meinung und geht mit Olaf Scholz hart ins Gericht.

Gerhard Strate, 67, ist einer der renommiertesten Strafverteidiger Deutschlands. Der Hamburger stellte 2009 die Strafanzeige gegen Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank, die den Prozess gegen die Banker in Gang setzte. In der kommenden Ausgabe der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ (NJW) setzt er sich in einem Kommentar kritisch mit dem G-20-Gipfel auseinander. Strate meint, dass der Rechtsstaat während des Gipfels außer Kraft gesetzt wurde.

DIE WELT: Sie kritisieren den G-20-Einsatz in der NJW als verfassungswidrig. Warum?

Gerhard Strate: Weil die Polizei in ihrem sogenannten „Rahmenbefehl“ vom 9. Juni 2017 feststellt: „Der Schutz und die Sicherheit der Gäste haben höchste Priorität.“ Damit haben die Polizei – und die politisch verantwortliche Innenbehörde – schwarz auf weiß festgelegt, dass die Sicherheitsinteressen der Bürger nachrangig sind. So haben es jedenfalls die Bewohner Altonas in den Morgenstunden des 8. Juli erlebt. Das verstößt gegen die Verfassung.

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aus: Wochenzeitung WOZ, 21.9.

G20-Urteil
Die Hysterie-Berichterstattung

Weil er am Rand der G20-Proteste in Hamburg zwei Flaschen geworfen hatte, sass ein Zürcher neun Wochen in Untersuchungshaft. Jetzt wurde er zu Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Medien sprechen von einem «milden Urteil». Der Mann geht in Berufung.

WOZ.ch Nr. 38/2017, von Daniel Ryser

Für Tage eine rechtsstaatsfreie Zone: Littering während des Gipfels in Hamburg. Foto: Florian Bachmann

Der allererste Verhaftete an den G20-Protesten in Hamburg war ein 29-jähriger Mann aus Zürich. In der Nacht auf den 6. Juli war er am Rand einer Demonstration festgenommen worden, nachdem er betrunken zwei Glasflaschen in die Richtung einer mit Schutzrüstung und Helmen ausgestatteten Polizeieinheit geworfen hatte. Niemand wurde getroffen. Danach habe er einen Mann geschlagen, so die Anklage – dieser Punkt fiel vor Gericht in sich zusammen, als ein Polizist als Zeuge auftrat, der den Mann entlastete. Eine Aussage, die von Anfang an aktenkundig war.

Die Schuldvermutung

Die Enttarnung des Angeschuldigten erfolgte durch den «Tages-Anzeiger» drei Wochen nach der Verhaftung. Der Polizeireporter des Blattes hatte die Identität des Mannes herausgefunden, der in Zürich ein Restaurant mitbetreibt; das Restaurant war ein Jahr zuvor im «Tages-Anzeiger» in prägnanten Worten gelobt worden. Obwohl er die Identität des Angeschuldigten in seinem Artikel verschwieg, verwendete der Journalist diese prägnanten Worte im ersten Satz mit dem Verweis auf die frühere Berichterstattung. Man brauchte nur diese Worte plus Quellenverweis bei Google einzugeben, schon hatte man den Angeschuldigten gefunden. Kurz darauf schwirrten Name und Bild des Mannes durch das Netz. Einen Tag später brachte der «Blick» den Mann mit dünnem Gesichtsbalken gross im Blatt, ein Reporter tauchte bei NachbarInnen und Eltern auf, klingelte die Freundin des Mannes und seine dreijährige Tochter aus dem Bett. Im Betrieb des Zürchers gingen schwere Drohungen von Rechtsradikalen ein. Man werde den Laden stürmen, niederbrennen, verrecken würden sie, und so weiter.

„aus: Wochenzeitung WOZ, 21.9.“ weiterlesen