aus: WELT 8.1.2018

Hamburger Senat lehnt Bundesverdienstkreuz für Staranwalt ab

Prozess gegen Ex-Börsenstar Alexander Falk
Staranwalt Gerhard Strate war für die höchste Ehrung durch den Bundespräsidenten vorgeschlagen. Doch der Hamburger Senat hat die Anregung in Sachen Bundesverdienstkreuz abgelehnt. In Justizkreisen ist man durchaus überrascht.
 „Doch Strate legt sich nicht nur mit Bankmanagern, sondern auch mit Politikern an. In einem Interview mit der WELT kritisierte er Ende Juli das Vorgehen der Hamburger Behörden beim G-20-Gipfel aufs Schärfste. Den Rahmenbefehl der Polizei vom 9. Juni bezeichnete er dort als Verstoß gegen die Verfassung, weil er den Schutz der Staatsgäste vor den Schutz aller Bürger gestellt habe… Der Rechtsstaat sei zeitweilig außer Kraft gesetzt gewesen. Das Interview soll in der Senatskanzlei mit großem Missmut aufgenommen worden sein.“

Gerhard Strate ist einer der renommiertesten Strafverteidiger in Deutschland. Zu den Mandanten des Hamburger Rechtsanwalts gehörten in den letzten Jahren unter anderem VW-Patriarch Ferdinand Piëch, Unternehmenserbe Alexander Falk oder „Höhle der Löwen“-Juror Carsten Maschmeyer.

Deutlich unbekannter als die Namen seiner Fälle ist hingegen die Tatsache, dass Strate weit mehr als ein Drittel seiner Mandate pro bono, also ohne Bezahlung übernimmt – und das seit Beginn seiner Karriere. Zudem engagiert er sich seit 48 Jahren ehrenamtlich, unter anderem in der Ausbildung junger Rechtsanwälte.

Für sein Wirken wurde Strate bereits eine Ehrendoktorwürde der Universität Rostock verliehen, außerdem ist er seit 2014 Ehren-Schleusenwärter Hamburgs – gemeinsam mit Personen wie Heidi Kabel, Albert Darboven, Kurt Körber, Michael und Alexander Otto und Siegfried Lenz. Jetzt sollte der 67-Jährige auch das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Doch der Senat hat eine entsprechende Anregung abgelehnt.

Über die Gründe für die Ablehnung schweigt sich der Senat aus. Ordensangelegenheiten seien grundsätzlich vertraulich, sagte ein Sprecher des Senats auf Anfrage der WELT. Offiziell will der Senat daher weder bestätigen, dass es eine Ordensanregung überhaupt gegeben hat, noch, dass sie abgelehnt worden ist.

Strenge Kriterien nicht erfüllt?

Formal vergeben werden Bundesverdienstorden zwar vom Bundespräsidenten. Der Weg der Vorschläge an das Bundespräsidialamt führt allerdings ausschließlich über die Senats- und Staatskanzleien der Länder. Diese nehmen die Anregungen entgegen und bewerten sie. Dabei, so heißt es in der Handreichung des Bundespräsidialamtes, müssten strenge Kriterien angelegt werden. Eine reine Pflichterfüllung seiner Arbeit reiche genauso wenig aus wie ein ehrenamtliches Engagement an sich.

Dieses müsse entweder sehr besonders sein oder bereits sehr lange bestehen. Sollten diese Kriterien erfüllt sein, werden die Anregungen nach Berlin weitergeleitet. Der Bundespräsident folgt dann in aller Regel den Ausführungen der Länder. Im Fall von Strate jedoch war bereits in Hamburg Schluss. Die Senatskanzlei sah die Kriterien offenbar nicht als gegeben an.

Strate wäre nicht der erste Rechtsanwalt gewesen, dem das Bundesverdienstkreuz im Wesentlichen für Verdienste verliehen worden wäre, die eng mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammenhängen. In Justizkreisen, wo häufig ein Anwalt dem anderen wenig gönnt, ist man daher durchaus überrascht über das Vorgehen des Senats. Strate selbst gibt sich auf Anfrage der WELT gelassen. Das mache ihm gar nichts, sagt der 67-Jährige. „Der Ehren-Schleusenwärter ist für mich viel wertvoller.“

Die wohl größten Schlagzeilen machte Strate in jüngster Zeit mit dem Fall von Gustl Mollath, für den er in einem Wiederaufnahmeverfahren die Freilassung aus einer Psychiatrie erreichte. Mehr als sieben Jahre hatte Mollath dort eingesessen, weil Gutachter ihn für gemeingefährlich hielten. Zu Unrecht, wie das Landgericht Regensburg im Sommer 2014 entschied. Der Fall wurde in Bayern zum Politikum.

HSH Nordbank und G-20-Gipfel – Strate gilt als unbequem

Strate gilt als unbequem. Das bekamen 2009 auch die Vorstände der HSH Nordbank zu spüren. Das Verfahren gegen die beiden ehemaligen Vorsitzenden der Landesbank, Dirk Jens Nonnenmacher und Hans Berger, sowie vier weitere Vorstände der Bank geht auf eine Anzeige Strates und des Grünen-Politikers Aram Ockert zurück.

Sie hatten die Manager wegen Untreue in einem besonders schweren Fall angeklagt und damit den Prozess um das Geschäft „Omega 55“ ausgelöst, der vermutlich in diesem Jahr ein weiteres Mal zur Verhandlung kommen wird.

Doch Strate legt sich nicht nur mit Bankmanagern, sondern auch mit Politikern an. In einem Interview mit der WELT kritisierte er Ende Juli das Vorgehen der Hamburger Behörden beim G-20-Gipfel aufs Schärfste. Den Rahmenbefehl der Polizei vom 9. Juni bezeichnete er dort als Verstoß gegen die Verfassung, weil er den Schutz der Staatsgäste vor den Schutz aller Bürger gestellt habe. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), den er sonst schätze, so Strate, hätte sich „böse verkalkuliert“. Der Rechtsstaat sei zeitweilig außer Kraft gesetzt gewesen.

Das Interview soll in der Senatskanzlei mit großem Missmut aufgenommen worden sein.

https://www.welt.de/regionales/hamburg/article172245703/Gerhard-Strate-Hamburger-Senat-verweigert-Staranwalt-Bundesverdienstkreuz.html